Mängelrechte bei einem Werkvertrag
13. Februar 2015 | von Ron JordanOb Sie nun beispielsweise ein Haus bauen, eine Küche errichten oder ein Auto reparieren lassen, immer bildet die vertragliche Grundlage ein Werkvertrag. Damit stellt sich zugleich die Frage, welche Gewährleistungsrechte hat man als Auftraggeber gegenüber dem Unternehmer – Auftragnehmer.
Hierzu hat nunmehr das OLG Hamm eine durchaus interessante Entscheidung getroffen. Sachlich war die Frage zu klären, ob der Auftraggeber bereits vor der Abnahme gegenüber dem Auftragnehmer einen Anspruch auf Erhebung der Mängelansprüche hat. Im konkreten Fall hatte der Auftraggeber eine Klage auf Kostenvorschuss gegenüber dem Auftragnehmer erhoben. Hierfür sah das Gericht folgende Voraussetzungen als notwindig an.
OLG Hamm, Urteil vom 19.082014, Az: 24 U 41/14
Aus den Gründen …
2. Voraussetzungen des Vorschussanspruchs, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B i.V.m. § 637 Abs. 3 BGB
a) Mängelrechte vor Abnahme der Werkleistung
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem geltend gemachten Vorschussanspruch nicht die unstreitig fehlende Abnahme der Arbeiten der Beklagten durch die Klägerin entgegen. Dies führt nicht dazu, dass sich das Vertragsverhältnis deswegen immer noch auf der "Erfüllungsebene" befindet und die Klägerin mangels Abnahme keinen Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung fordern kann. Zwar wird die Frage, ob dem Besteller vor der Abnahme Mängelrechte zustehen können, kontrovers beurteilt (vgl. zum Meinungsstand nur: Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess (14. Aufl.), Rdnr. 2069; Krause-Allenstein, in: Kniffka u.a., Bauvertragsrecht (1. Aufl.), § 634 Rdnr. 10 f. - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Allerdings wird dabei jedenfalls in Ausnahmefällen mehrheitlich eine Rückgriff des Bestellers auf die Mängelrechte auch schon vor der Abnahme befürwortet, wenn der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt angesehen sowie abgeliefert hat, der Besteller im Gegenzug jedoch die Abnahme wegen Mängeln verweigert und der Unternehmer wiederum eine (weitere) Mängelbeseitigung endgültig abgelehnt hat (vgl. OLG Köln, NJW 2013, 1104 (1105); OLG Brandenburg, NJW-RR 2011, 603 (604) [sehr weitgehend]; Krause-Allenstein, in: Kniffka u.a., Bauvertragsrecht (1. Aufl.), § 634 Rdnr. 11; Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess (14. Aufl.), Rdnr. 2069 f.; Palandt/Sprau, BGB (73. Aufl.), Vorb v § 633 Rdnr. 7 - jeweils mwN). Diese Auffassung hält auch der Senat für richtig, weil der Auftraggeber ansonsten in einer derartigen Situation sinnwidrig zur Abnahme einer von ihm für mangelhaft gehaltenen Leistung gezwungen wäre, um vom nachbesserungsunwilligen Auftragnehmer die Mittel für eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung fordern zu können. Da die zuletzt genannten Voraussetzungen hier vorliegen, kann die Klägerin Vorschuss zur Mängelbeseitigung auch schon vor der Abnahme verlangen.
b) Mangelhaftigkeit der Werkleistung, § 13 Abs. 1 VOB/B
Die Werkleistung der Beklagten ist nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme mangelhaft i.S.d. § 13 Abs. 1 VOB/B. …
ee) Die zuletzt genannten Erscheinungen - insbesondere das Hochstehen der Platten ("Überzähne" bzw. Stolperkanten) sowie das Entstehen von Pfützen bei Regen (Glättegefahr vor allem im Winter) - stellen erhebliche Mängel der Werkleistung der Beklagten dar. Der Unternehmer schuldet nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine dauerhafte Gebrauchs- und Funktionstauglichkeit seiner Werkleistung (diese Funktionalität verortet der BGH innerhalb der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit gemäß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB bzw. § 13 Abs. 1 Satz 2 VOB/B, vgl. nur: BGH, BauR 2008, 344, juris Rdnr. 15 mwN), die hier bereits wegen der bestehenden Unfallgefahr (Stolperkanten, Glättegefahr) sowie der nicht ausreichenden Ableitung von Regenwasser auf den Platten nicht erreicht wird.
c) Erfolglose Fristsetzung zur Mängelbeseitigung, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B
Unstreitig hat die Klägerin der Beklagten im zweiten Ortstermin am 06.08.2012 gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B eine Frist zur Mängelbeseitigung bis Ende September 2012 gesetzt. Diese ist - wie die zuvor dargestellten Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S vom derzeitigen Zustand des Bodens zeigen - erfolglos abgelaufen, auch wenn die Beklagte Nachbesserungsarbeiten vorgenommen und mit Schreiben vom 02.10.2012 (Bl. 31 d.A.) deren Abschluss angezeigt hat. Zudem hat die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 22.10.2012 (Bl. 32 f. d.A.) erfolglos eine Frist zur Anerkennung der Sanierungskosten für die Neuerrichtung des Bodenaufbaus gesetzt.
d) Keine Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung, § 13 Abs. 6 VOB/B
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte - wie § 13 Abs. 6 VOB/B ausdrücklich zeigt - zwar grundsätzlich berechtigt, die Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung einzuwenden. Nichts anderes gilt im Übrigen - wie § 635 Abs. 3 BGB zeigt ("unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3") - für einen BGB-Werkvertrag. Das Beseitigen des Hochstehens der Platten ("Überzähne", Stolperkanten) ist nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. S im Senatstermin am 19.08.2014 jedoch nicht unmöglich in diesem Sinne. Zudem ist - unabhängig von der Frage des erforderlichen Gefälles - auch nicht ersichtlich, dass die vorhandene Pfützenbildung nicht durch eine gezielte Ableitung des Wassers verhindert werden könnte. Bedenken hat der im Senatstermin angehörte Sachverständige Dipl.-Ing. S insofern jedenfalls nicht geäußert.
e) Kein unverhältnismäßig hoher Mängelbeseitigungs-aufwand, § 13 Abs. 6 VOB/B
Die Beseitigung der Mängel erfordert auch keinen unverhältnismäßig hohen Aufwand. Der bloße Hinweis der Beklagten, die Kosten beliefen sich auf fast 150 % der Auftragssumme, reicht zur Annahme einer Unverhältnismäßigkeit nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Unverhältnismäßigkeit in aller Regel nur dann anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen vertraglichen Leistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller hingegen objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung, z.B. weil die Funktionsfähigkeit des Werkes spürbar beeinträchtigt ist, kann ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten die Nachbesserung verweigert werden (vgl. nur: BGH, BauR 2008, 1140, juris Rdnr. 16, 18; BGH, BauR 2009, 1151, juris Rdnr. 3). So liegt der Fall hier. Durch die Mängelbeseitigung werden u.a. das Hochstehen der Platten und die dadurch bestehende Unfallgefahr beseitigt. Schon deswegen muss das Interesse der Klägerin an der Mängelbeseitigung als berechtigt angesehen werden.
3. Höhe des Vorschussanspruchs, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B i.V.m. § 637 Abs. 3 BGB
…
Anmerkung: Zu den Kosten die erforderlich sind für die Mangelbeseitigung ist qualifiziert vorzutragen. D.h., es bedarf einer nachprüfbaren Kalkulation.