Mangelhafte Bauleistungen bei Abweichung von Leistungsverzeichnis
23. Februar 2015 | von Ron JordanAusgangspunkt der rechtlichen Betrachtung bildet ein Urteil des OLG Celle vom 01.08.2013, AZ:16 U 29/13. Hiernach ist ausgeurteilt worden, wenn das vom Auftragnehmer erstellte Leistungsverzeichnis den Hinweis Leistung „gemäß Zeichnung und Statik“ enthält, ist die Leistung mangelhaft, wenn der Auftragnehmer die Arbeiten ohne Statik ausführt und Risse am tragenden Mauerwerk auftreten.
Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für Sie als Auftraggeber, egal ob Sie ein Haus bauen, ein Dach neu eindecken oder eine Küche einbauen lassen usw..
Es gilt, dass Sie sich klar machen müssen, welche Beschaffenheit sie konkret verlangen. Denn zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung von Auftragnehmer und Auftraggeber den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich dabei nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen des Auftraggebers erfüllen soll. Also ist ihr Nutzungsinteresse in der Leistungsbestimmung verbindlich mit in den Vertrag zu konkretisieren. Dies geschieht oftmals nicht.
Der Bundesgerichtshof hat deshalb eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit und damit einen Fehler im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB angenommen, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Herstellung eines Werkes nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 – VII ZR 41/06).
Das gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden sind. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urteil vom 11. November 1999 – VII ZR 403/98).
Für das Verständnis von der "vereinbarten Beschaffenheit hat das Gesetz in § 633 Abs. 2 BGB eine Rangfolge in der Beurteilung des Sachmangels aufgestellt, nach der zunächst zu prüfen ist, ob das Werk die vereinbarte Beschaffenheit hat (Satz 1). Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (Satz 2 Nr. 1), sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werks erwarten kann (Satz 2 Nr. 2).
Damit hat der Gesetzgeber nicht beabsichtigt, beim Werkvertrag die Vereinbarungen zur Funktionstauglichkeit des Werkes dem Anwendungsbereich des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB zu entziehen und damit einer Auslegung dieser Regelung den Weg zu öffnen, wonach allein die Vereinbarung der jeweiligen Leistung bzw. der Ausführungsart, wie sie sich z.B. in Leistungsverzeichnissen oder sonstigen Leistungsbeschreibungen dokumentiert, Grundlage für die Beurteilung sein kann, inwieweit die vereinbarte Beschaffenheit eingehalten ist. Eine solche Auslegung des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB würde dazu führen, dass eine Leistung des Unternehmers als mangelfrei einzuordnen wäre, wenn die im Vertrag vorgesehene Leistung oder Ausführungsart nicht geeignet ist, ein funktionstaugliches Werk zu errichten. Es würde die vereinbarte Funktion aus der Beurteilung der vereinbarten Beschaffenheit ausblenden und damit den Willen der Parteien in einem wichtigen, für die Errichtung eines Werks in aller Regel maßgeblichen Punkt unberücksichtigt .
Aus dieser Vorgabe ergibt sich eine folgenschwere Konsequenz für den Auftraggeber. Denn ein Werk ist auch dann mangelhaft, wenn es die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Leistungen anderer Vorunternehmer, von denen die Funktionsfähigkeit des Werkes letztendlich abhängt, unzureichend sind. Der Unternehmer kann in diesen Fällen allerdings der Verantwortlichkeit für den Mangel seines Werks durch Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflicht entgehen. Also haben sie als Auftraggeber genau darauf zu achten, ob es eine solche Baubehinderungsanzeige des Unternehmers gab. Liegen die Voraussetzungen dazu nicht vor, bleibt der Unternehmer ausschließlich für den Mangel der Funktionstauglichkeit verantwortlich, auch wenn er gegebenenfalls durch einen Vorunternehmer verursacht wurde. Er muss deshalb seine Leistung nachbessern, bis die vereinbarte Funktionstauglichkeit erreicht ist. Sind dazu Leistungen notwendig, die von der vereinbarten Leistung oder Ausführungsart nicht erfasst sind, ist zu prüfen, ob der Besteller deren Kosten im Rahmen der Vorteilsausgleichung unter dem Gesichtspunkt der Sowiesokosten zu übernehmen.
Allerdings kann der Unternehmer seine Vertragspflicht regelmäßig nur erfüllen, wenn der Besteller ihm die geeignete Vorleistung zur Verfügung stellt. Der Besteller muss deshalb im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkung dafür sorgen, dass die ungeeignete Leistung des vorleistenden Unternehmers ihrerseits in einer Weise verändert wird, dass der Unternehmer in der Lage ist, sein Werk vertragsgerecht herzustellen.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Unternehmer dann nicht für den Mangel seines Werks verantwortlich, wenn dieser auf verbindliche Vorgaben des Bestellers oder von diesem gelieferte Stoffe oder Bauteile oder Vorleistungen anderer Unternehmer zurückzuführen ist und der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – VII ZR 45/04).
Entgegen bisweilen missverständlicher Formulierungen in der Literatur und einigen Gerichtsentscheidungen ist die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht kein Tatbestand, der die Mängelhaftung begründet. Die verschuldensunabhängige Mängelhaftung kann nur durch einen Sach- oder Rechtsmangel des vom Unternehmer hergestellten Werkes begründet werden. Vielmehr ist die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht ein Tatbestand, der den Unternehmer von der Sach- oder Rechtsmängelhaftung befreit. Das ist deutlich in der Regelung des § 13 Nr. 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 3 VOB/B zum Ausdruck gebracht. § 13 Nr. 3 VOB/B setzt voraus, dass das Werk des Unternehmers mangelhaft ist und stellt zunächst klar, dass der Unternehmer, dem Grundsatz der verschuldensunabhängigen Mängelhaftung folgend, auch dann haftet, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist.
Sodann wird als Ausnahme von diesem Grundsatz der Befreiungstatbestand. Der Auftragnehmer haftet nicht, wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat. Der Auftragnehmer haftet demnach trotz eines Mangels seiner Leistung nicht, wenn er Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer unverzüglich - möglichst schon vor Beginn der Arbeiten - schriftlich mitgeteilt hat. Diese Regelungen in § 13 Nr. 3 und § 4 Nr. 3 VOB/B sind eine Konkretisierung von Treu und Glauben, die über den Anwendungsbereich der VOB/B hinaus im Grundsatz auch für den Bauvertrag.